Mein schwarzer Monat – Januar

Mein schwarzer Monat – Januar

Ihr wundert euch vielleicht über die Überschrift und das Bild von diesem Beitrag. Dafür gibt es jedoch eine Erklärung. Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich diesen Beitrag wirklich schreiben und solch private Themen mit euch teilen soll. Mein Blog ist für mich wie ein „Tagebuch“, auch wenn ich hier nicht jeden Tag einen Beitrag hochlade. Ich dachte mir, vielleicht ist es gut alles einmal von meiner Seele zu schreiben und den Monat Januar damit für mich zu beenden.

Seit einer Woche habe ich mich auf den sozialen Netzwerken nicht mehr blicken lassen, denn genau heute vor eine Woche erreichte mich eine Nachricht, die mich völlig aus der Bahn warf. Fangen wir jedoch erst mal am Anfang an.

Einige von euch haben mitbekommen, dass ich Anfang des Monats im Urlaub war. Alles sah glücklich und unbeschwert aus. Doch manchmal trügt der Schein und man verstellt sich für die Welt da draußen. Nicht immer möchte man alles teilen. Genau so war es bei mir auch. Auch im Freundeskreis versuchte ich stark zu bleiben. Die meisten merkten gar nicht, was in mir vorgeht. Typisch ich, ich will immer die Starke sein, die nichts an sich ran lässt.

Trennung

10 Tage war ich mit meinem Ex-Freund in Ägypten. Diesen Urlaub hatten wir Anfang Dezember gebucht und irgendwie erschien es wie der letzte Test. Sowohl für mich, als auch für ihn. Denn 2019 war nicht unbedingt unser Jahr. Nach dem das ein oder andere vorgefallen war, wurde ich langsam zu einem Eisblock und ich konnte mich nicht mehr öffnen/fallen lassen. Eine Beziehung einfach „wegschmeißen“ wollte ich aber auch nicht, denn Jahre und schöne Momente verbinden einen. Man hofft immer wieder, dass sich alles bessert, dem war leider nicht so. Ich will aber jetzt nicht weiter ins Detail gehen.

Der Urlaub war also die letzte Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde. Nur aus dem Grund haben wir noch gebucht. FAIL! Von Tag zu Tag hat man immer mehr gespürt wie distanziert ich wurde und auch ihm wurde es bewusst. Die 10 Tage haben wir zwar gut gemeistert, aber zurück in Hamburg, zurück Zuhause, sollte das Ganze sein Ende finden. Keine 24 Stunden in Hamburg und das Unvermeidliche wurde ausgesprochen. Der erste Moment in dem neuen Jahr, der mich doch ganz schön aus der Bahn geworfen hat. Egal was war, knappe 3 Jahre gehen nicht einfach spurlos an einem vorbei. Schade nur, wenn man nach Jahren im Streit auseinander geht.

Stille

Ich sagte allen, ich sei krank, ich wollte mit keinem sprechen. Ich lag hier auf meinem Sofa und habe mich völlig von der Außenwelt abgeschieden. Meine Mädels die mich immer als die „Labertasche“ kennen, die eine, die nie Punkt und Komma macht und bis ins Endlose redet, die Person war auf einmal still. So still, dass sich alle Sorgen gemacht haben. Eine Nachricht nach der anderen, ein Anruf nach dem anderen, aber ich habe einfach alles ignoriert und mich unter meiner Decke verkrochen.

An Tag drei kam dann meine Freundin vorbei. Ich wollte eigentlich noch immer allein sein und nicht sprechen, aber sie ließ nicht mit sich diskutieren. Da stand sie also nun und alles brach aus mir heraus. Aus Trauer wurde auf einmal Wut. Damit fing der Startschuss für mich an und ich fand wieder zu mir. Manchmal muss man sich halt alles von der Seele reden, damit es einem besser geht.

All das hat mich klein bekommen

Damit hatte sich der Monat jedoch noch lang nicht erledigt. Ihr kennt es vielleicht, wenn eine Sache schief läuft oder kaputt geht, dann ist es wie bei „Domino Day“ und ein Stein fällt nach dem anderen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für Ängste auf einmal aus mir raus kamen. Größter Punkt, ich hatte Existenzängste.

Die Tatsache, dass ich in den letzten Monaten fast 10 Kilo abgenommen habe, dass ich seit Monaten nicht wirklich Schlaf finde, dass meine Neurodermitis seit Monaten meinen Körper ziert. Nun auch noch das Beziehungsaus, durch das ich auch mein Arbeitsequipment verloren habe, weil ich so dumm und naiv war mich auf einen anderen zu verlassen. Dann der Gedanke, dass ich mich doch erst vor Kurzem selbstständig gemacht hatte und da auch noch Angst habe, dass es jetzt nicht mehr so klappen könnte, wie man es sich vorgestellt hat. Meine ganzen Ersparnisse die langsam aber sicher aufgebraucht sind und ich jetzt einfach zu sehen muss… All das hat mich klein bekommen. Mehr als klein.

Warnschuss

Verständlich also, dass mein Körper einen Warnschuss von sich gegeben hat. Ich stand in der Küche, war gerade dabei zu kochen, als es dann passierte. Aus dem nichts wurde mir ganz schwummerig, vor meinen Augen sah ich nur noch „Sterne“ und schwarz, meine Brust fühlte sich an, als ob sie zerquetscht wird, ich schnappte nach Luft, doch ich konnte nicht atmen, mein Herz schmerzte, mir wurde kotzübel und all meine Kräfte verließen meinen Körper. Ich griff schnell zur Wasserflasche, setzte mich hin und versuchte mich zu beruhigen. Ich wusste nicht, was da gerade mit mir passierte. Völlig kraftlos schleppte ich mich auf mein Sofa und legte mich hin. Der Schmerz wollte jedoch nicht aufhören.

Was ich dann gemacht hatte, war nur dumm. Ich googelte meine Symptome. FEHLER!!! Das Ergebnis: Stummer Herzinfarkt. Voller Angst, schrieb ich einem Freund, der Medizin studiert hatte und mir sicher mehr sagen konnte. Er empfahl mir den Notarzt anzurufen, denn sicher ist sicher. Die Vermutung war jedoch, dass es am ganzem Stress der letzten Monate lag. Der Notarzt kam nach 4 Stunden noch immer nicht, sodass ich wieder anrief und ihn abbestellte. Ich wollte einfach nur noch schlafen. Am nächsten Tag ging es mir zum Glück wieder besser.

Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass es eine Panikattacke war. Es sollte nämlich nicht das Letzte mal gewesen sein, dass ich mich so fühlte. Erst vor 30 Minuten, als ich mich entschied diesen Beitrag zu verfassen, hatte ich wieder einen Anfall. Ich habe es bis dato noch keinem erzählt. Alle gehen davon aus, dass es ein einziges Mal vor kam. Ich habe jetzt aber gelernt damit umzugehen. Ich weiß, was ich machen muss, damit ich mich in kürzester Zeit wieder fange. Und ich weiß, dass ich den Scheiß bald auch wieder los bin. Ich lass mich nicht unterkriegen, würde ich es, dann wär ich nicht mehr die Alte. Aus diesem Grund, habe ich jetzt zum Beispiel auch mit Yoga angefangen und ich hoffe, dass es mir Kraft gibt.

Der Tod

Der Beitrag ist jetzt schon lang und ihr denkt wahrscheinlich, das war es jetzt. NEIN! Das schlimmste sollte mich vor einer Woche erreichen. Jetzt sitz ich hier und es war klar, dass mir direkt die Tränen kullern werden.

Ich erhielt einen Anruf von meinem Cousin, bei dem ich mir nichts dachte. Doch dann hörte ich seine Worte: „Mama, ist heute verstorben“. Mein Atem stockte! Ich schaffte es lediglich zu sagen: „Ich ruf gleich zurück“. Aufgelegt und direkt zusammengebrochen. Hallo nächste Panikattacke. Ich wollte mich fertig machen um ins Krankenhaus zu fahren, stand aber so neben mir, dass ich es nicht mal geschafft habe, mich anzuziehen.

Der Weg zum Marienkrankenhaus war der Horror. Es war, als würde mein Körper einfach machen, aber ich habe davon nichts mitbekommen. Völlig erschöpft angekommen, hatte die Pathologie schon geschlossen und wir durften nicht mehr zu ihr. Was bedeutete, dass wir am nächsten Tag wieder kommen mussten. Die Nacht war grausam. Ich konnte nicht schlafen, habe daher einfach gearbeitet, hat natürlich nicht wirklich geklappt, aber so konnte ich mich wenigstens etwas ablenken. Ich fragte mich ständig, wie es morgen wohl ablaufen würde. Die ganze Nacht schwirrten Gedanken in meinem Kopf rum und ich stellte mir genau vor, wie ich vor ihr stehe und was ich ihr noch sagen wollen würde. Ich schrieb auf einmal wild auf meinem Laptop los und folgende Szene entstand:

Pathologie 

Die elektrischen Türen öffnen sich, durch mein Körper zieht eine Eiseskälte. Ich setzte ein Fuß vor den anderen, ohne es zu merken. Was passiert hier gerade? Ich fühl mich leer, komplett ausgelaugt und total matschig. Es fühlt sich an, als wären Körper und Seele von einander getrennt. Der Körper funktioniert einfach, die Seele bleibt stehen und will nicht mit. Ich höre eine Stimme und wache aus meiner Starre auf. Völlig verwirrt, kneife ich die Augen zu um wieder zu mir zu kommen.

Da liegt sie nun. Auf dieser Metallbarre. Es kommt mir vor wie in einem Film. Ich kann es noch immer nicht fassen. Von ihr habe ich das Backen gelernt. Von ihr habe ich Liebe und Wärme geschenkt bekommen. Durch meinen Kopf läuft ein Film, mit all den schönen Erinnerungen. Ihre Freude, wenn sie mich erblickte. Ihr Lachen, ihre Stimme sind ganz klar in meinem Kopf.

Ein stattliches Alter hat sie erreicht, trotzdem kommt mir der Verlust zu früh vor. Ich bin mir sicher, sie wusste es schon im Vorfeld. Ihre Aussagen waren eigentlich eindeutig. Hören wollte ich es jedoch nie. „Nein Tante, sag so etwas nicht. Deine Zeit ist noch nicht gekommen“. Diesen Satz habe ich doch eigentlich nur immer gesagt, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Ich habe doch gedacht wir haben noch mindestens 2-3 Jahre zusammen. Jetzt wird mir gerade bewusst, wie schnell das Leben an einem vorbei zieht. Ich sollte meine Zeit nicht weiter verschwenden. Denn Zeit bekommt man nicht zurück, sie läuft nur vorwärts und nicht rückwärts.

Dieses weiße Tuch wie aus einem Film, liegt über ihr. Völlig abgemagert liegt sie vor mir. Die Tränen kullern, ohne dass es mir bewusst ist. Wie soll ich mich jetzt verabschieden? Ob ihre Seele gerade hier ist und sie mich hören kann? 

„Tante“, flüstere ich unter Tränen. „Hörst du mich? Ich bin hier bei dir. Warum hast du mich nicht in meinem Traum besucht? Du bist gegangen ohne dich zu verabschieden. Immer wenn ich dich besucht habe, hast du vor Freude gestrahlt. Das gab mir immer ein warmes Gefühl. Diese Freude in deiner Stimme, das Strahlen in deinen Augen. Und nun werde ich dich nie wieder meinen Namen sagen hören. Draußen sitzen die anderen und wenn ich ehrlich bin, kann ich gerade keinen von denen ertragen. Jeder von denen weiß es besser. Kannst du die bitte beruhigen und zum Schweigen bringen? Ich will doch einfach nur auf meine eigene Art und Weise um dich trauern. 

Weißt du noch damals, als wir in deiner Küche standen? Ich mit deiner weißen Schürze, die mir viel zu groß war. Mit dem Mehl an den Händen und im Gesicht. Wir hatten echt unseren Spaß. Oder als ich dich im Krankenhaus besucht habe. Du in deiner weißen Schwesternkluft, ich noch winzig klein und total interessiert für deinen Beruf. Wie stolz du immer warst und allen erzählt hast, ich sei deine Nichte. Du wolltest immer nur das Beste für mich. Hast auf mich aufgepasst, als wär ich ein rohes Ei. Diese und noch viele andere Erinnerungen werde ich immer bei mir tragen.“

Traurig, dass all die Zeit mit ihr nun vorbei ist, sitze ich dort und schau sie kraftlos unter Tränen an. 

„Die letzten Monate und Jahre waren für dich anstrengend und nun wurdest du von all dem Schmerz erlöst. Trotzdem freue ich mich, dass du im letzten Jahr viel mehr DU warst. Du warst wieder wie früher. Du hattest immer eine Geschichte auf den Lippen und wolltest einfach erzählen und erzählen. Ich werde deine Lachanfälle vermissen. Ich werde dich vermissen. Ich hoffe, du bist jetzt an dem Ort deiner Träume. Ich hoffe, dass du da oben bist und uns gespannt durch unser Leben begleitest. Wir sind hier unten und werden dich immer in unserem Herzen tragen.“

Die Realität

So habe ich mir den Verlauf des nächsten Tages vorgestellt, doch es kam natürlich ganz anders. Auf die Uhr geguckt, war es schon 7 Uhr morgens. Mein Cousin angerufen und gefragt, ob er schon jemanden in der Pathologie erreichen konnte. Das Warten ging leider weiter. Plötzlich der Anruf. „9:20 Uhr sollen wir da sein.“ Ich sprang auf, da ich nur noch 40 Minuten hatte, zog mich an, rief ein Taxi und fuhr los.

Meine Tante erwartete mich vor dem Krankenhaus. Sie sprach mit mir, aber ich war mit meinen Gedanken gar nicht da. Da standen wir nun vor der Tür. Diese Tür war das einzige, dass mich noch von der Pathologie trennte. Ich ging rein und nein, es war nicht der Raum, den man aus Filmen kannte. Nein sie lag nicht auf dieser Metallbarre. Ich stand im Abschiedsraum. Meine Tante lag in einem Bett, an der Wand hing ein Kreuz. Auch wenn der Raum nicht gruselig war, fühlte ich mich trotzdem unwohl. Dort lag sie und ich bekam kein Wort raus. Meine Mutter machte eine Zeremonie, die bei uns in Togo üblich war, wenn jemand verstarb. Mein Cousin half ihr und ich war so stolz auf ihn, weil er stärker war als ich, obwohl seine Mutter dort vor uns lag.

Ihre Augen waren geöffnet, was für mich ganz schlimm war. Ich bekam kein Wort raus. Ich wollte mit ihr sprechen, aber meine Lippen öffneten sich nicht. Ich schaute in diese leeren Augen. Normalerweise werden die Augen geschlossen, durch die Totenstarre war dies jedoch nicht mehr möglich. Lange hielt ich es dort nicht aus und setzte mich draußen in Flur. Ich wollte nicht dort drin weinen, während alle anderen stark blieben.

Nach dem sich alle verabschiedeten, ging der Stuggel erst richtig los. Nun war es unsere Aufgabe, alle Sachen zu klären. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was man nach dem Tod alles erledigen muss. Man braucht tausend Formulare, etliche Daten, findet die aber erst mal. Dann der Gang zum Bestatter, um alle Einzelheiten der Beerdigung etc. durchzugehen. Das krasseste, wie viel Geld man aufbringen muss, um nach dem Tod noch alles regeln zu können. UNFASSBAR!

Heute

Nun sitze ich eine Woche später hier und kann nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist. Wär ja schön, wenn der ganze Stress nun ein Ende hätte, aber meine Familie ist so neben der Spur, dass Streitereien nicht ausbleiben und wir Kinder müssen trotzdem zusehen, dass wir alles erledigen und schaffen können. Ich könnte ein Loblied auf meinen Cousin singen. Wie stark er ist, ist unglaublich. Ich weiß genau wie doll sein Schmerz ist, aber er trägt es nicht nach außen. Ich hab so ein Respekt vor ihm. Ich wüsste nicht, wie ich es aushalten sollte, wenn es meine Mutter wär.

Naja, ich glaube der Beitrag ist schon sehr detailliert, sehr privat und sehr intim. Falls ihr den gelesen habt, habe ich mich echt getraut auf „Veröffentlichen“ zu klicken.

Zum Abschluss kann ich nur sagen, dass uns klar sein sollten, wie schnell sich das Leben ändern kann. Wir verschwenden immer soviel Zeit mit Gedanken, Streitereien, Diskussionen, etc. Aber wir sollten das Leben viel mehr schätzen und viel mehr rausholen. Wir sollten unsere Träume leben und nicht das machen, was andere uns sagen. Wir sollten Spaß haben und das Leben genießen. Mit den Menschen Zeit verbringen, die uns gut tun. Wir sollten den Job machen, der uns Spaß bringt und uns nicht kleinkriegen lassen. Wir sollten an uns und an unsere Fähigkeiten glauben. Aber was ganz wichtig ist, denkt daran, dass da Menschen sind, die euch lieben und die ihr liebt. Überlegt doch nicht lange hin oder her, sagt es ihnen einfach. Ihr habt nichts zu verlieren außer ZEIT.

Ich werde auf jeden Fall alles tun, um wieder komplett zu mir zu finden. Kopf hoch und stark sein! Nach einem Tief, kommt auch immer wieder ein Hoch. Solange man positiv denkt, zieht man auch positives an. Dazu sag ich nur: „Gesetzt der Anziehung“ 😉

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